Reformationstag

Lutherstadt Eisleben begeht den Reformationstag 2016 mit dem 11. Rathausgespräch

Thema: Luther in der DDR.
Zwischen staatlicher Erinnerungskultur und christlichem Bekenntnis.

Alle Augen blicken bereits auf den 31. Oktober 2017, doch auch der 31. Oktober 2016 ist auf dem Weg, den die Lutherstadt Eisleben in Richtung 500 Jahre Reformation beschreitet, ein wichtiger Baustein.
Die Oberbürgermeisterin der Lutherstadt Eisleben, Jutta Fischer, begrüßte die zahlreichen Gäste zum nun bereits 11. Rathausgespräch im historischen Sitzungssaal des Rathauses. Zu Beginn bat sie die Anwesenden zu einer Gedenkminute für den am 28.10.2016 verstorbenen Ehrenbürger der Lutherstadt Eisleben, Joachim Herrmann.

Das zentral vorgegebene Themenjahr 2016 in der Reformationsdekade lautete: „REFORMATION UND DIE EINE WELT“.
Vor 1989 gab es auf deutschem Boden zwei Weltanschauungen und die Tradition das Reformationsjubiläum zu feiern war ab den 1960er Jahren eben durch diese Weltanschauungen, besonders in der DDR, politisch geprägt.
In der DDR war Luther ein Politikum. Doch wie gestaltete sich der Umgang mit dem Reformator im sozialistischen „Arbeiter- und Bauernstaat“ und in welchem Verhältnis standen Staat und Kirche damals?
Genau über dieses Thema haben in der Lutherstadt Eisleben zum 11. Rathausgespräch
Dr. Jan Scheunemann, Historiker beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (betraut mit dem - Projekt „Luther war hier“) und Klaus Bretschneider, Pfarrer i.R. (Zeitzeuge und Protagonist im Lutherjahr 1983) diskutiert und erzählt.
Bretschneider selbst war von 1974 - 1984 Pfarrer in der Lutherstadt Eisleben.
Bevor das Gespräch der beiden Referenten begann, zeigte Dr. Scheunemann den DEFA-Dokumentarfilm „Martin Luther“ aus dem Jahr 1982.
Bei einigen Zuschauern brachte dieser Film zahlreiche Erinnerungen hervor. Nicht zuletzt auch die legendären Reden des Staatsratsvorsitzenden der DDR Erich Honecker, mit seiner einprägsamen Stimme und die baulichen Zustände der Gebäude in der DDR.
Dr. Scheunemann zitierte eingangs Erich Honecker, der Luther als „Großen Sohn, als einer der besten Söhne des deutschen Volkes, der in der Geschichte der DDR gut aufgehoben ist. Luther leistet einen Beitrag für den Fortschritt und für die Weltkultur – er ist Teil des progressiven Erbes. Das Lutherjubiläum 1983 sei ein Zeichen, dass Christen und Nichtchristen gemeinsam am Aufbau des Sozialismus mitwirken“.
Dr. Scheunemann zitierte auch die Kirche, in diesem Fall Werner Leich, damals Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche.
„Ein sozialistischer Staat würdigt durch seinen höchsten Repräsentanten (gemeint war Honecker) das Wirken Martin Luthers. Das mag für viele ein ungewöhnlicher Vorgang sein, ungewöhnlich ist auch, dass ein Bischof auf einer Veranstaltung des Ministerrates einen Beitrag leistet. Der Grund dafür liegt in der umfassenden Bedeutung der Person und des Wirkens Luthers. Luther hat bis heute, als Mann der Kirche und in der Gesellschaft entscheidende, bis heute wirksame Impulse verliehen, die zugleich die Geschichte des deutschen Volkes, seine Sprache, seine Kultur nachhaltig beeinflusst haben.“
Mit diesem Einstig begann Dr. Scheunemann und wande sich mit den Worten:
„Wie haben Sie, Herr Bretschneider, das gesehen, dass hier die damalige Politik und die Kirche scheinbar, zumindest im Bezug auf Luther, aufeinander zugingen?“
In der Folgzeit musste Dr. Scheunemann erfahren, dass es schwer ist, das Wort, welches man einmal an einen Pfarrer, auch wenn dieser im Ruhestand ist, gegeben hat, wiederzuerlangen. Aber es gelang.
Das "Lutherjahr 1983" wollten sich die DDR-Oberen zu eigen machen. Es entstanden Gremien, beispielsweise ein Luther-Komitee, in denen man die Rollen für den Staat und Kirche genau festlegen wollte. Genau dieses Ringen um den „Einen Luther“ brachte Klaus Bretschneider, der zu diesem Zeitpunkt die Pfarrstelle (1974) als junger Pfarrer in der Lutherstadt Eisleben angenommen hatte, authentisch den Besuchern nahe.
Es Begann bereits im Februar 1983, da beanspruchten plötzlich Vertreter des Staates das Privileg für sich, die beiden Lutherhäuser selbst zu präsentieren. Besonders im Sterbehaus, dort regelt ein Vertrag von 1868 die Besitzverhältnisse, der Inhalt in dem Sterbehaus gehört der Kirche und das Haus gehört der Stadt. Für Bretschneider war damit alles klar und die Kirche setzte sich durch. Denn zu diesem Zeitpunkt weilten zahlreiche Journalisten der kirchlichen Presse aus der BRD, der Schweiz und Österreich in der Lutherstadt. Die Kirche führte in den Häusern.
Zuvor wurden die beiden Häuser umfassend saniert, die aber im Februar 1983 noch teilweise eine Baustelle waren.
Es folgten der Kirchentag im Juni 1983 und die Feierlichkeiten am 10. November 1983 anlässlich des 500. Geburtstag von Dr. Martin Luther.
Auch hier konnte Herr Bretschneider mit zahlreichen Episoden aufwarten. Es begann mit der Absage des Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, einen Verkehrsunfall von Gerald Götting (Stellvertreter von Honecker im Luther-Komitee) und einer zeitweiligen Sperrung der Zufahrtsstraßen nach Eisleben, die nach Drohung mit der Westpresse schnell wieder aufgehoben wurde.
Nach dem Kirchentag im Juni und der 10. November 1983 (500. Geburtstag Dr. Martin Luther) Geschichte waren, war der ganze politische Spuk um Luther vorbei – es hatte sich „ausgeluthert“, wie Dr. Scheunemann es nannte. Und die politische Führung besann sich auf Karl Marx, der hatte 1983 immerhin seinen 100. Todestag.
„Lutherjubiläum im Karl Marx Jahr“ verrückt, oder?



Im Anschluss begann 17.00 Uhr in der St. Andreaskirche ein KONZERT "ZUM REFORMATIONSTAG"
DIETRICH BUXTEHUDE Kantate „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“
JOHANN SEBASTIAN BACH Kantate „Allein zu dir, Herr Jesu Christ“
JOHANN FRIEDRICH FASCH Konzert für Trompete und Orchester
JOHANN MICHAEL HAYDN Te deum
WOLFGANG AMADEUS MOZART Missa solemnis
Annika Rioux (Sopran), Claire Gascoin (Alt),
Kammersänger Nils Giesecke (Tenor), Daniel Blumenschein (Bass),
Bernd Bartels (Solo-Trompeter des MDR), Kantorei Eisleben,
Mitteldeutsches Kammerorchester
Leitung: KMD Thomas Ennenbach